Zum Hauptinhalt springen

Die Reformation

Am 15. Mai 1575 um acht Uhr morgens wird in der Franziskanerkirche der erste evangelische Gottesdienst in Colmar abgehalten. Über 30 Jahre lang hat die Kirche leer gestanden. Zahlreiche Ratsmitglieder sind gekommen. Da der Pastor, der sich um die protestantische Gemeinde von Colmar kümmern soll, noch nicht bestellt worden ist, hält Pastor Johannes Cellarius aus Jebsheim den Gottesdienst. Erst am Vortag, dem 14. Mai, hat sich der Colmarer Rat unter der Leitung von Obristmeister Michael Buob versammelt. Einstimmig wurde der Beschluss gefasst, den protestantischen Gottesdienst neben der katholischen Messe zuzulassen.

Die Colmarer Protestanten hatten es nicht leicht gehabt, sich in ihrer Stadt durchzusetzen. Seit 1525 warteten sie auf die Reformation. 50 Jahre mußten sie sich gedulden, bis sie in Colmar offiziell eingeführt wurde. Der Rat hatte immer wieder gezögert und sich hinter einer dicken Mauer juristischer Klauseln verschanzt, bevor er im letzten Moment sein Jawort gab. Somit ist Colmar eine "späte" Reformationsstadt. Geschickt, ja manchmal gar genial taktierten die Colmarer Stadtväter, um sich vor einer Entscheidung zu drücken, und so zog die Reformation erst ein halbes Jahrhundert später als in Basel oder Straßburg in die Stadt ein. Die Entscheidung zwischen calvinistischem und lutheranischem Glauben beanspruchte in Colmar weitere 50 Jahre.

Es war der Bauernkrieg, der 1525 mit der tragischen Niederlage der Aufständischen endete, welcher den Stadtrat davon abhielt, die Reformation einzuführen, obwohl ein Teil der Bevölkerung sich für die neuen Ideen begeisterte. Die Publikationen des Buchdruckers Farckall, die Affäre des Predigers Hans und der missglückte Aufstand des Gastwirts Bader sind nur einige Belege dafür, dass die Reformation in den Anfangsjahren nicht spurlos an Colmar vorbeiging.

Bis zum Augsburger Religionsfrieden 1555 war es der Reformation aber nicht gelungen, sich in Colmar durchzusetzen, obwohl sie in fast allen Orten der Umgebung bereits eingeführt worden war. 1538 erließ der Rat eine Verordnung, die ihm die Kontrolle über die Verwaltung der Besitztümer des Klerus sicherte. Er konnte sich von nun an auch bei unsittlichem Verhalten der Geistlichen einschalten. Die Ausschreitungen, die den Anabaptisten zugeschrieben wurden, wie auch das außergewöhnliche Talent der Hauptakteure der katholischen Gegenreform - so der Dominkanerprediger der Martinskirche, Fabbri, oder der Prior der Augustiner, Hoffmeister - lieferten jedoch neue Argumente, um die Einführung der Reformation immer wieder hinauszuschieben.

Dann aber legte der Augsburger Religionsfrieden die Koexistenz der katholischen und der lutheranischen Konfession fest. 1564 wurde der Colmarer Stadtrat erneuert, unverbrauchte Kräfte zogen ins Rathaus ein. Und als die Reformation 1565 auch in Hagenau etabliert wurde, sahen die Colmarer keinen Grund mehr, sich gegen die Reformation zu wehren. Sämtliche Gefahren auf politischer, wie auch auf nationaler Ebene, waren gebannt.