Der Conseil Souverain in Colmar
Man schreibt den 22. Mai 1698. Die erste Sitzung des Conseil Souverain in Colmar wird in dem sogenannten Wagkellergebäude abgehalten, dem einstigen Sitz des Adels. Mit einer Messe in der Augustinerkapelle beginnt der Tag. Hier beten die Richter, meditieren jeder für sich allein, bevor sie in der Öffentlichkeit erscheinen. Einige Stunden später machen sich die Räte auf den Weg zum Sitzungssaal. Sie tragen Amtstracht und setzen sich auf die Bänke gegenüber dem Sitz des Präsidenten, neben dem der Gerichtschreiber seines Amtes waltet. Links sitzt der Anwaltsstand, rechts die Staatsanwaltschaft.
Colmar ist zwar keine Reichsstadt mehr, hat aber durch den neuen Status gewonnen - jetzt ist es Sitz eines Gerichtshofes, der für das ganze Elsass zuständig ist. Mehr noch, der Conseil ist auch ein Parlament, in dessen Händen das Schicksal einer ganzen Provinz liegt, indem es ihre Einheit und ihre Integration in das französische Königreich fördert. Im September 1657 hat ein königlicher Edikt die Gründung des Conseil Souverain verordnet "für die Länder und Orte, die durch den Westfälischen Frieden an seine Majestät übergegangen sind". Durch den Conseil Souverain sollen die Rechte des Königs auf seine neuen Besitztümer bekräftigt werden. Seine Aufgabe ist "die Ausübung des Rechts, die Wahrung unserer Rechte, ohne die Gesetze, Verfassungen und Gewohnheitsrechte zu ändern, die bis zu diesem Tag im oben genannten Land gepflegt wurden". Der Conseil Souverain tagt zuerst in Ensisheim, der einstigen Verwaltungshauptstadt der österreichischen Besitztümer in der Region, bevor er 1681 nach Ville Neuve Saint-Louis-Les-Brisach am Rhein umzieht. Aber erst in Colmar findet er einen Rahmen, der seinen Aufgaben angemessen ist.
Der Conseil Souverain des Elsass tagt, Gemälde von Holdt, 18. Jh., Musée d´Unterlinden.
Bei gerichtlichen Verfahren ist er die letzte Instanz, die ein Fall durchlaufen kann - sein Urteil ist endgültig. Er ist auch für Religionsfragen zuständig, Kirche, Juden und Protestanten wenden sich gleichermaßen an ihn. In erster Instanz ist er für alle Rechtssubjekte zuständig, auch für die Adligen und die Geistlichen. Er entscheidet auch über die sogenannten "königlichen" Fälle, bei denen es um die Souveränität des Königs oder die katholische Kirche geht.
Als Parlament registriert und bestätigt der Conseil Souverain die Rechtshandlungen der Zentralmacht, die persönlichen Rechtstitel, die Statuten der Zünfte, sowie die Bestimmungen und Beschlüsse der Provinzverwaltung. Aber das ist noch nicht alles. Er kontrolliert auch die ihm untergeordneten Gerichte und die Forstverwaltung. Schließlich amtiert er auch als königliche "Bailliage" (Vogtei) und als königliche Münzanstalt.
Alle sind der Meinung, dass der Conseil Souverain als Gerichtshof gute Arbeit leistet. Er verteidigt die lokalen Traditionen und führt gleichzeitig die französische Rechtssprechung behutsam ein.
Der Conseil Souverain bringt einen Hauch französischen Geistes nach Colmar - und dank ihm kann sich die Stadt einen Namen machen. Ohne den Conseil Souverain, der während der Französischen Revolution aufgelöst wird, wäre Colmar heute kein Verwaltungs- und Justizzentrum.
Er trägt seinen Teil zur Entwicklung des "Colmarer Modells" bei: eine fein dosierte und ausgewogene Mischung aus republikanischer Tradition und absolutistischer Monarchie, welche ausgehend von unserer Stadt sich darum bemühte, die Einheit einer Provinz und zur selben Zeit die Einheit eines Landes zu veranlassen.