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Die königliche Stadt

"Der Stärkere wird gewinnen", hatte bereits in Münster Kanzler Volmar gesagt, der in österreichischen Diensten stand. Die Bestimmungen des Westfälischen Friedens sind so ambivalent, dass nur noch eine Kraftprobe die Dinge in Bewegung bringen kann. Die Städte des Zehnstädtebundes taktieren, so lange sie nur können. Vor allem Colmar zeichnet sich durch seine Kompromisslosigkeit aus. 1651 und 1659 lässt es seine Reichsprivilegien erneuern. Mit der sogenannten "Türkenhilfe" unterstützt die Stadt das Reich in seinem Krieg gegen die Türken. 1666 prägt sie eine neue Münze, einen Taler, auf dem eine Ansicht der Stadt, ihr Wappen - eine Keule - und der Reichsadler als eindeutiges Zeichen ihrer Zugehörigkeit zum Reich abgebildet sind. Sie weigert sich, die Befugnisse des 1658 in Ensisheim eingerichteten "Conseil Souverain", einem für die Justiz zuständigen Parlament, anzuerkennen. Colmar leistet mit aller Kraft Widerstand, überzeugt, dass es sich noch einmal aus der Affäre ziehen kann.

Mit dem Krieg gegen Holland 1670 verdunkelt sich der politische Horizont erneut. Österreich, Spanien, Brandenburg und Holland verbünden sich gegen Frankreich. Die Ostgrenze ist bedroht. Die Reichstruppen sind in Schwaben und im nahe gelegenen Breisach konzentriert. Im Frühsommer 1673 gibt Kriegsminister Louvois dem Marquis de Vaubrun Order, Colmar einzunehmen. Die Operation wird dem Marquis de Coulanges anvertraut, der sie mit 500 Kavaleristen durchführen soll. Mit dem Besuch des Königs, der auf dem Weg nach Breisach in Colmar Station macht, überstürzen sich die Dinge.

Colmar ist nicht nur eine offene, sondern auch eine besetzte Stadt. Immer wieder ziehen französische Truppen durch Colmar, um sich auf die Kriegsschauplätze in der Franche-Comté, am Rhein und in Deutschland zu begeben. Im September 1674 fallen die Truppen der Allianz in das Elsass ein. Der Große Kurfürst von Brandenburg läßt sich mit seiner Frau und 1200 Gefolgsmännern in Colmar nieder. Die Colmarer hoffen wieder. Aber nur allzubald erfolgt die Ernüchterung, als am 5. Januar 1675 Marschall Turenne die Reichstruppen in Türkheim besiegt. Colmar hat allen Grund zur Besorgnis, hat es sich doch ganz offen zum Großen Kurfürsten bekannt. Die Stadt kommt mit einem blauen Auge davon- sie wird von Turenne verschont. Aber von nun an halten die Colmarer still, denn sie wissen, dass sie überwacht werden. Und dann, am 5. Februar 1679, fünf Monate nachdem auch die Franche-Comté von Frankreich annektiert worden ist, passiert das Unabwendbare: mit dem Frieden zu Nimwegen erstreckt sich die Souveränität des Königs über das gesamte Elsass. Colmar gehört nicht mehr dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation an. 1680 ergeht der Befehl des "Grand Bailli" (Vogt) im Elsass, Baron de Montclar, das alte Wappen von den Toren und öffentlichen Gebäuden abzunehmen. Die Lilie ersetzt den Adler. Colmar ist königliche französische Stadt…